Mit diesen vier Fragen hat uns Immanuel Kant (1724-1804) das grundsätzliche Instrumentarium für einen ganzheitlichen, vernunftbasierten Wertediskurs gegeben.
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Der kategorische Imperativ)
Was kann ich wissen? (Quellenkritik/Theorie/Empirie)
Was soll ich tun? (Moral/Ethik)
Was darf ich hoffen? (Sinn/Glaube/Metaphysik)
Was ist der Mensch? (Humanismus/Anthropologie)
Der griechische Philosoph Platon (428/27 – 348/347 v.Chr.) hat in seinem Höhlengleichnis die Grundausrichtung seiner Erkenntnistheorie niedergelegt, indem er Bildung als einen – wenn auch beschwerlichen – Weg zur Befreiung durch Hinwendung zum Wahren und Guten beschreibt. Bezogen auf unser heutiges Medienzeitalter läßt sich das Höhlengleichnis zugleich als ausdrucksstarke Metapher zur Beschreibung des Realen und des Virtuellen interpretieren.
Panofskys phänomenologische Sicht. Erwin Panofsky (1892-1968) war maßgeblich an der Entwicklung der Ikonographie als einer neuen Methodik der Bildbeschreibung und –interpretation beteiligt. Mit den von ihm beschriebenen drei Phasen der Bildbetrachtung (vorikonographische Beschreibung, ikonographische Analyse, ikonologische Interpretation). Von der Art und Weise der Machart (Phänomenologie) – über die Einordnung in die Funktions- und Stilgeschichte (Funktion) – bis hin zur Interpretation der tieferliegenden Sinnebene (Bedeutung) lassen sich auf diese Weise die einzelnen Bedeutungsebenen eines Kunstwerkes – oder allgemein kultureller Symbole – entschlüsseln. Wenn man so will, entsteht dadurch eine Grammatik der Kunst.
WikiTubia
Bis zur Erfindung der Fotographie und des Films dienten Bilder meist mehr oder minder eindeutig zur „Abbildung“ von Wirklichkeit… Der Aspekt der Wiedererkennbarkeit war entscheidend. Mit dem technologisch-künstlerischen Fortschritt setzte der Abschied vom Abbild ein. Die digitale Revolution hat eine bildgestützte Gesellschaft hervorgebracht.
imagic turn – (Wende zum Abbildung – Ferdinand Fellmann 1991) – Bilder werden als Verkörperung des zuständlichen Bewusstseins interpretiert.
pictural turn – (Wende zum Bild – William John Thomas Mitchell 1992) – Auf der Basis von McLuhan, Foucault und Goodmann versucht Mitchell in Anlehnung an Panofskys‘ Ikonologie das Denken in Bildern und über Bilder zur rehabilitieren. Über die Materialität der Bilder wendet er sich auch sozialen und politischen Fragen zu.
visualistic turn – (Visuelle Wende – Klaus Sachse-Hombach 1993) – sprachliche vermittelte Formen des menschlichen Selbst- und Weltbezuges setzen immer schon nonverbale Zeichenverhältnisse voraus. Bilder spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige, semiotische Rolle.
iconic turn – (Ikonische Wende – Gottfried Boehm 1994) – Boehm orientiert sich an der Hermeneutik Gadamers und Imdahls. Wie erzeugen Bilder Sinn? Das ist die Leitfrage Böhms. Dies vor dem Hintergrund, dass bildliche Informationen in der Gegenwart eine immer stärkere Bedeutung bekommen. Wenn man so will hat die Tradition der „konservierten“ Kommunikation in den ersten Höhlenbildern (Lascaux) angefangen – und setzt sich heute mit hochkomprimierten Bildbotschaften der Werbewelt fort. Um die Welt zu verstehen, bedarf es daher einer Erneuerung der Bild-Wissenschaft.
Um es auf den Punkt zu bringen: „Ein Bild braucht keine Fußnote!“ – Gleichzeitig stellt sich Boehm gegen einen massenhaften Verbrauch von Bildern und für die Idee der Existenz der Aura der Kunst. “Die Bilderfeindlichkeit der Medienindustrie ist ungebrochen, nicht weil sie Bilder verböte, oder verhinderte, im Gegenteil: weil sie eine Bilderflut in Gang setzt, deren Grundtendenz auf Suggestion zielt, auf bildlichen Realitätsersatz, zu dessen Kriterien von jeher gehörte, die Grenzen der eigenen Bildlichkeit zu verschleiern” (Boehm 1995).
Gemäß Gottfried Boehm funktionieren Bilder anders als Sätze und sind doch voller Sinn und Mitteilungskraft. Ihr Sagen ist kein wirkliches Sagen, sondern ein Zeigen. Bilder zeigen, wovon sie handeln. Gleichzeitig demonstrieren sie damit, dass Sinn auch jenseits der vokalisierten Sprache entsteht. Wahrnehmung, der Blick auf das Bild, gewinnt laut Gottfried Boehm eine konstitutive Bedeutung. Mediale Bilderwelten sind als inszenierter Wirklichkeit zu verstehen und es gilt, ihrer Relevanz für kommunikative Prozesse in der heutigen Gesellschaft zu prüfen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_BoehmJoseph Beuys (1921-1986) gehört zu den Ausnahmeerscheinungen der Kunst des 20sten Jahrhunderts. Mit der von ihm propagierten Erweiterung des Kunstbegriffs begriff er jede künstlerische Äußerung zugleich als eine zutiefst politische Handlung. Sein Konzept basiert auf der Anthroposophie Rudolf Steiners. Durch den ganzheitlichen Begriff von Kunst, so Beuys, lasse sich die Einheit von Natur und Geist wieder herstellen.
Die von ihm geschaffenen Kunstwerke sah er zugleich als Multiplikatoren seiner Philosophie an, um eine möglichst große Anzahl von Menschen zu erreichen (Multiples). Als Soziale Plastik verstand er den Prozess, bei dem ein Jeder nach seinen Möglichkeiten Teilhabe an der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung haben sollte. Nur vor diesem Hintergrund ist auch sein berühmter Ausspruch „Jeder Mensch ist ein Künstler“ richtig zu verstehen. Die von ihm verwendeten Materialien – Filz, Fett, Basalt, Honig, Kupfer etc. – besitzen einen definierten Symbolgehalt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Beuys
“Jeder Mensch hat das Recht, für 10 Minuten ein Star zu sein! ” (Andy Warhol)
Warhol (1928-1987) ist der berühmteste Vertreter und Mitbegründer der amerikanischen Pop Art. Er konzentrierte sich in seinem künstlerischen Schaffen auf Themen der Alltags- und Medienwelt sowie der Werbung. Durch massenhafte Wiedergabe – 30 are better than one. In seiner 1962 gegründeten Factory arbeite er mit Hilfe zahlreicher Assistenten. Er stilisierte sich selbst zu einer Ikone postmoderner Ästhetik. Mit seiner Bildsprache beeinflusste er maßgeblich unsere heutigen Sehgewohnheiten.
Ein umfassend ästhetisch basierter Bildungsbegriff, der Rückgriff auf die Antike und der Wert und die Würde des sich in Freiheit ethisch-kulturell entfaltenden Menschen verbinden die drei Zeitgenossen Humboldt, Schiller und Schinkel.
Humboldts Ideal
Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835) gilt als Stammvater des deutschen Liberalismus. “Der wahre Zweck des Menschen, nicht der, welchen die wechselnde Neigung, sondern welche die ewig unveränderliche Vernunft ihm vorschreibt, ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen. Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste und unerlässliche Bedingung.”
Seine bildungspolitischen Aktivitäten als Leiter der “Sektion des Kultus und des öffentlichen Unterrichts“ führten nicht nur zur Etablierung eines mehrstufigen Schulwesens sondern schließlich auch zur Gründung der Berliner Humboldt-Universität im Jahr 1810. Mit seinem Bildungsideal basiert auf einer ganzheitlichen Ausbildung, bei der Kunst und Wissenschaft sich auf Augenhöhe begegnen.
Schinkels Proportionen
Der Maler und Architekt Karl-Friedrich Schinkel (1781 – 1841), dessen zahlreiche Bauten noch heute das Stadtbild Berlins prägen, verfolgte die Maxime, das “Nothwendige der Contruction schön zu gestalten”. 1830 schuf er die klassizistische Architektur des Alten Museums, des ersten öffentlichen Museums in Preußen und legte damit den konzeptionellen Grundstein für die Museumsinsel, die sich innerhalb der folgenden 100 Jahre an dieser Stelle entwickeln sollte.
Schillers Ästhetik
Friedrich Schiller (1759 – 1805) vertrat die Ansicht, dass sich auf der Basis der Moralität Neigung und Pflicht auf dem Feld der Bildung miteinander verbinden lassen. Durch das Ästhetische – so legt er in seiner “Untersuchung über das Schöne und die Kunst“ dar – sollen die geistigen und die sinnlichen Kräfte harmonisch ausgebildet werden, um damit den Menschen zur Vernunft zu führen. Er widerspricht in seinen Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ auch Kants These, das Schönheit und Geschmack als rein subjektive Kategorien anzusehen sind.
Für das Be-greifen und Er-fassen der eigenen Lebensumwelt sind damit wichtige Leitplanken geschaffen, selbst wenn heute Begriffe von Schönheit und Hässlichkeit auf gänzlich anderen Wertvorstellungen fußen, so wird doch das Vorhandensein des phänomenologisch Schönen auch heute nicht in Frage gestellt.
http://deu.archinform.net/arch/328.mobi.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Über_die_ästhetische_Erziehung_des_Menschen
http://gutenberg.spiegel.de/buch/3355/1
http://www.kuehnle-online.de/literatur/schiller/werke/phil/aestherzieh/01.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Schiller
Benjamins Aura
Walter Benjamin (1892 -1940) entwickelte den Begriff der Aura auf der Basis der Betrachtung von Natur und Kunst. Durch die Entwicklung der modernen Medien von Film und Fotographie sei die Rezeption von Kunst einem erheblichen Wandel unterworfen, das durch die Möglichkeit zur massenhaften Reproduktion und einer damit einhergehenden Veränderung der kollektiven Wahrnehmung die Aura eines Kunstwerkes verändert würde. Einerseits böte sich damit zwar die Möglichkeit zu einer gesellschaftlichen Emanzipation durch Aneignung des Visuellen, andererseits sah Benjamin darin auch die Gefahr zu einer einseitigen politischen Vereinnahmung – eine Befürchtung, die sich in der Ausnutzung sämtlicher verfügbaren medialen Kanäle für die Zwecke der Propaganda in der Zeit des Faschismus auf erschreckende Weise bewahrheiten sollte.
Die Medialisierung unseres Alltags zeigt zugleich, dass trotz der Allgegenwart sekundärer Bildwelten, die Originale nichts von ihrem Reiz verloren haben – mitunter sogar die Sehnsucht zur Inaugenscheinnahme des Originals geradezu gesteigert wird – Leonardos Mona Lisa kann hier angeführt werden. Wenngleich der ein oder andere Betrachter angesichts des nur 77×53 cm großen Originals auch deshalb ins Staunen kommen wird. Fast scheint es, als haben die Reproduktionen einen »Schlamm der Gewohnheit« ausgebildet, der die Wahrnehmung »mit einer undurchdringlichen Schicht bedeckt« (Samuel Beckett). In jedem Falle wird durch Benjamins Aura-Begriff ein völlig neuer und auch heute noch wichtiger Impuls für die Entwicklung der Kunstgeschichte zu einer modernen Bildwissenschaft gegeben (Hans Belting / Horst Bredekamp) .
Clifford Geertz – „Dichte Beschreibung“
Dem Ethnologen Clifford Geertz (1926 – 2006) ging es bei der Beschreibung kultureller Systeme insbesondere um die Entwicklung einer besonderen Qualität der Deutung. Für die Untersuchung fremder Kulturen entwickelte er das Konzept der “Dichten Beschreibung”. Bei diesem Ansatz reflektiert der Forscher zugleich, dass sein eigenes Handeln nicht vorurteilsfrei zu bewerten ist, sondern den Prozess der Analyse maßgeblich mitbestimmt – der Beobachter ist also zugleich Akteur im Geschehen – seine Betrachtungsweise basiert auf semiotisch vorgebildeten Bahnen.
Clifford Geertz: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003 (zuerst 1983).
http://de.wikipedia.org/wiki/Clifford_Geertz
http://de.wikipedia.org/wiki/Dichte_Beschreibung
http://www.hfg-karlsruhe.de/~hklinke/archiv/texte/sa/GEERTZ.htm
Jan und Alida Assmann – Kulturelles Gedächtnis
Gedächtnis ist auch eine relevante Größe bei dem Besuch von Ausstellungen/Installationen. Denn man kann sich bewusst für eine oder gegen eine gedächtnis- oder gewohnheitsorientierte Präsentation entschieden.
Auf der Basis eines kommunikativen Gedächtnisses (das sich durch Sprache gegenseitig vermittelt) entsteht über die Generationen hinweg ein kulturelles Gedächtnis. Auf diese Weise wird ein für die Gruppe/Gesellschaft relevantes Wissen gespeichert.
Assmann, Aleida / Assmann, Jan: „Das Gestern im heute. Medien und soziales Gedächtnis.“ In: Klaus Merten / Siegfried J. Schmidt / Siegfried Wischenberg (Hg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaften. Opladen, Westdeutscher Verlag, 1994,117ff.
Grundlegend dazu Maurice Halbwachs: mémoire collective – es gibt Individuen, die in einen gesellschaftlichen „Rahmen“ eingebettet sind. (Lit.: Jan Vansina: The Floating Gap. 1985)
Malcom Gladwell: Tipping Point – How little Things can make a big Difference.
André Malraux, französischer Schriftsteller und Politiker, entwarf mit seinem Musée imaginaire – es geht um eine neue Betrachtungsweise der Kunst. Das Museum zerstört durch die (Ent-Kontextualisierung) Herauslösung der Objekte aus Ihrem ursprünglichen Zusammenhang den ursprünglich sakralen, rituellen oder dekorativen Charakter. Durch die neuen „Nachbarschaften“ im Museum werden neue Zusammenhänge geknüpft. Dadurch wird das Museum ein Ort der METAMORPHOSE. Dies führt letztlich zu einer „Befreiung“ der Kunst. Zahlreiche Kunstwerke weisen jedoch eine feste Ortbindung, Materialität oder Größe (z.B. Bauplastik) auf.
Durch das Zeitalter der medialen Reproduzierbarkeit lässt sich nun jedoch ein „musée imaginaire“. Durch die gleichzeitige Möglichkeit der Betrachtung entstehen ein Wissensarchiv und ein Kommunikationsraum von bisher unvorstellbarer Dimension. Im Gegensatz zu Walter Benjamin sieht er eine Beeinträchtigung der Aura der Originale durch ihre technisch mögliche Reproduzierbarkeit. Er versteht Aura als das „Hier und Jetzt“ – die räumliche, zeitliche und physische Präsenz – in Angesicht des Originals. Das Original bleibt unberührt von der fotographischen Reproduktion, da es sich bei der Fotographie um eine radikale Konvertierung von der Drei-Dimensionalität in die Zwei-Dimensionalität handelt [heute: 3-D Simulation!!].
Das vergleichende Sehen schafft Erkenntniszuwächse beim Betrachter. Durch Ausschnittvergrößerungen und andere Bildbearbeitung wird eine Gleichwertigkeit und Vergleichbarkeit völlig unterschiedlicher Objektgruppen möglich. Die Kunst wird vom Kontext der Geschichte befreit – „die Zeit der Kunst im imaginären Museum ist nicht mehr die Zeit der Geschichte.“ … Durch die ordnende Hand Malraux’s „wird aus den heterogenen Elementen menschlichen Kunstschaffens ein fotografisches Familienalbum der Kunst.
Antonia von Schöning: Dir universelle Verwandtschaft zwischen den Bildern. André Malreaux‘ Musée imaginaire als Familienalbum der Kunst. In: Kunsttexte.de 1/2012, 7